Sir Ian Kershaw mit der Karlsmedaille ausgezeichnet
Das Kuratorium des Vereins „Médaille Charlemagne“ würdigt mit der Auszeichnung die Verdienste Kershaws als „wahrer Unterstützter eines gemeinsamen Europas“.
Stefan Aust schildert Ian Kershaw in seiner Laudatio als einen außergewöhnlich brillanten Historiker und Erzähler, Spezialist für die dunkelsten Seiten der deutschen Geschichte.
Kershaw erinnert daran, dass aus der Geschichte zu lernen bedeute, für die Zukunft zu lernen: „Dass ich als Historiker ein Stück weit dazu beitragen darf, erfüllt mich mit großer Freude.“
Der britische Schriftsteller und Historiker Sir Ian Kershaw hat am heutigen Donnerstag (3. Mai) im Krönungssaal des Aachener Rathauses die Karlsmedaille für europäische Medien, die „Médaille Charlemagne pour les Médias Européens“ erhalten. Mit der Karlsmedaille wird seit dem Jahr 2000 im Vorfeld der Karlspreis-Feierlichkeiten eine europäische Persönlichkeit oder Institution ausgezeichnet, die sich auf dem Gebiet der Medien in besonderer Weise um den Prozess der europäischen Einigung und um die Herausbildung einer europäischen Identität verdient gemacht hat.
Mit der Vergabe der 18. Karlsmedaille würdigte das Kuratorium des Vereins „Médaille Charlemagne“ im Jahr 2018 die Verdienste Kershaws als „wahrer Unterstützter eines gemeinsamen Europas“. „Ian Kershaw hat in seinen Büchern eindrucksvoll die neuere europäische Geschichte dargestellt und analysiert. Insbesondere mit seinem Buch ‚Höllensturz‘ hat er eine europäische Geschichte vorgelegt, die deutlich werden lässt, woher wir Europäer kommen und wovor uns die Einigkeitsbestrebungen seit vielen Jahrzehnten womöglich bewahrt haben“, heißt es entsprechend in der Begründung des Kuratoriums.
Der Blick in die Geschichte
Der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp betonte in seiner Begrüßungsrede, dass Europa momentan vor allen Dingen Orientierung brauche. Er sagte: „Hierbei hilft ganz sicher ein historisches Bewusstsein, woher Europa kommt, aus welchen geschichtlichen Tiefpunkten heraus es sich entwickelt hat. Ian Kershaw ist ein Wissenschaftler, der mit seinem ganzen Lebenswerk dafür sorgt, dass der Blick in die Geschichte zu einem tieferen Verständnis der Gegenwart unseres Kontinents führt.“ Und weiter: Ian Kershaw ist ein großer Europäer, der die Vergangenheit wissenschaftlich erforscht und auf dieser Grundlage der Gegenwart Verständnis und Zielorientierung gibt, damit unser Kontinent eine friedliche, demokratische, gemeinsame Zukunft hat. Die Auszeichnung, die ihm heute verliehen wird, ist ein symbolischer Dank für sein Werk und sein Wirken.“
Brillanter Historiker und Erzähler
Der Journalist und Autor Stefan Aust hielt bei der Verleihung der Karlsmedaille die Laudatio auf Ian Kershaw. Aust ist seit 2014 Herausgeber der Tageszeitung „Die Welt“ und war bis September 2016 auch deren Chefredakteur. Er stellte fest: „Ian Kershaw ist ein außergewöhnlich brillanter Historiker und Erzähler, Spezialist für die dunkelsten Seiten der deutschen Geschichte. Er schildert das Vergangene so, dass es Teil der Gegenwart wird. Europas Gegenwart.“
Ian Kershaw erinnerte in seiner Ansprache daran, dass es in einigen Jahren kaum noch Menschen geben werde, die die Zeiten vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg selbst erlebt hätten. „Mit ihnen werden deren Berichte und Erzählungen über diese Zeit verlorengehen. Dann ist einzig noch die Geschichte selbst übrig, aus der man das teils grenzenlose Leid, das seinerzeit so vielfach auf der Welt geherrscht hat, erfahren kann. Aus der Geschichte zu lernen bedeutet, für die Zukunft zu lernen. Dass ich als Historiker ein Stück weit dazu beitragen darf, erfüllt mich mit großer Freude. Und dass ich genau für diese Arbeit heute Abend diese wunderbare Auszeichnung erhalte, erfüllt mich mit Stolz und Zufriedenheit.“
Die EU als ein fragiles Konstrukt
Michael Kayser, Vorsitzender des Vereins „Médaille Charlemagne“, hielt den Zuhörern im Krönungsaal vor Augen, dass die Europäische Union auch heute noch ist ein sehr fragiles Konstrukt sei und nach wie vor jede zumindest stärkere Erschütterung große Schäden verursachen könne. Kayser erklärte: „Eine solche Erschütterung sieht Kershaw beispielsweise im Austritt Großbritanniens aus der EU und zwar für den Fall, dass andere Länder hierdurch zur Nachahmung angeregt werden. Um diesen Ländern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat Ian Kershaw gegen viele Stimmen im eigenen Land mit Blick auf die Brexit-Verhandlungen eine harte Haltung der EU gegenüber Großbritannien angemahnt.“
Stabilität und Sicherheit in Europa
Am Rande der Preisverleihung hatte bereits Dr. Jürgen Linden, Vorsitzender des Aachener Karlspreisdirektoriums, gesagt: „Ian Kershaw erläutert den Leserinnen und Lesern in seinen Büchern detailliert unter anderem die Zusammenhänge, die zur Weimarer Republik und später zu den beiden Weltkriegen geführt haben. Wissenschaftlich untermauert legt er eindrucksvoll die Zusammenhänge dar, die schließlich zu beiden Kriegen geführt haben. Als Leser ertappt man sich immer wieder bei dem Versuch, die Geschehnisse auf die heutige Zeit zu übertragen und bei der Frage, ob Ähnliches auch heute noch möglich wäre. Die Antwort hierzu bleibt offen, aber Ian Kershaw macht deutlich, dass der Zusammenschluss der Nationen in der Europäischen Union durchaus zu einer höheren Stabilität und Sicherheit in Europa geführt hat und dass es fatal wäre, diesen Zusammenschluss aufzugeben.“
Für die musikalische Untermalung der Verleihungszeremonie sorgte der Aachener Akkordeonspieler und „Global Player“ Manfred Leuchter gemeinsam mit dem schottischen Ausnahmegitarristen Ian Melrose. Die Präsentation des Abends hatte die Journalistin und Moderatorin Ines Arland übernommen.
Die bisherigen Preisträger
Bisherige Preisträger der „Médaille Charlemagne pour les Médias Européens“ sind der Publizist Lord George Weidenfeld (GB), der Autor Cees Nooteboom (NL), der Produzent Jan Mojto (D), der Regisseur Jean-Jacques Annaud (F), der ehemalige Intendant des Westdeutschen Rundfunks Köln Fritz Pleitgen (D), die polnische Schauspielerin Krystyna Janda (PL), die Stiftung Berliner Philharmoniker, gemeinsam die Regisseure Fatih Akin (D) und Abdellatif Kechiche (F), die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, der Musiker André Rieu (NL), die Verlegerin Inge Schönthal-Feltrinelli (I), die russische Zeitung Novaya Gazeta, der Historiker und Journalist Timothy Garton Ash (GB), die European Film Academy (EFA), die OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatovíc (BIH), der Eurovision Song Contest sowie im vergangenen Jahr der deutsche Fernsehjournalist und ehemalige Leiter des ARD-Studios Brüssel, Rolf-Dieter Krause.
Die Stifter des Preises
Gestiftet wird der Preis vom Verein „Médaille Charlemagne pour les Médias Européens“, dem folgende Institutionen angehören: Stadt Aachen, Stadt Maastricht, Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Film- und Medienstiftung NRW, Arte – der Europäische Kulturkanal, BBC World News, Deutsche Welle, EOS Entertainment, Discovery Networks Deutschland, Euronews, der Zeitungsverlegerverband Nordrhein-Westfalen sowie die Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen. Der Verein wurde 2006 auf Initiative der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen und der Stadt Aachen ins Leben gerufen.
Angela Katzy gestaltet die Medaille
Die Medaille wurde von der in Köln lebenden Künstlerin Angela Katzy gestaltet. Sie hat einen Durchmesser von etwa 10 cm und ist in 925er Silber gearbeitet. Der Lapislazuli ist in 750er Gelbgold gefasst, auch die innere Strebe ist in gelbgold gestaltet. Sie steht für den Strich, den Karl der Große einer Unterschrift gleich seinem Siegel selbst beifügte, da er nicht schreiben konnte.
Mehr zum Preis unter www.medaille-charlemagne.eu
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