Gemeinsam für den Schutz der Betroffenen
Unter einem Dach: Neue Fachstelle PIA bündelt vielfältige Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt.
Aachen, (iba) – Bundesweit einmalig: Mit der neuen Fachstelle PIA (Prävention – Intervention – Ansprechpersonen) bündelt und vernetzt das Bistum Aachen seine vielfältigen Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt. Unter einem Dach arbeiten die Präventionsbeauftragte Almuth Grüner, der neue Interventionsbeauftragte Helmut Keymer sowie die beiden Ansprechpersonen für Betroffene, Herbert Dejosez und Martina Eß zusammen. Das Ziel: noch wirksamer Missbrauch und sexualisierte Gewalt verhindern, Transparenz schaffen, die Kultur der Achtsamkeit im Bistum Aachen noch stärker zu betonen und nachhaltige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt leisten. „Aus den Erkenntnissen der vergangenen zehn Jahre, in denen die katholische Kirche flächendeckend Maßnahmen der Prävention gegen sexualisierte Gewalt bereits angeboten hat, ist die Fachstelle PIA entstanden. Das ist für das Bistum Aachen ein nächster konsequenter Schritt, alles dafür zu tun, weiteres Leid zu verhindern. Für uns ist klar: Wir müssen stetig weiter daran arbeiten, aus unseren Fehlern der Vergangenheit lernen, um wirksam gegen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche vorzugehen“, betont Generalvikar Dr. Andreas Frick.
Grundlegende Aufgabe der Fachstelle ist die Umsetzung der Ordnungen zur Prävention und Intervention in verbindliche organisatorische (Qualitäts-) Standards in allen Pfarreien und Gemeinden sowie Einrichtungen des Bistums Aachen. Als beratende Fachstelle unterstützt PIA die Entwicklung von Strukturen und Prozessen, die transparent, nachvollziehbar und kontrollierbar sind. „Im Fokus stehen dabei immer die Perspektive der Betroffenen und der transparente Umgang mit Vorfällen, ein Wissen-Wollen und Sprechen-Können“, sagt der Generalvikar. Ziel ist die Aufarbeitung für und mit den Betroffenen von sexualisierter Gewalt. Außerdem die Begleitung, Unterstützung und Stabilisierung von Systemen, etwa Pfarreien und Gemeinden oder andere Einrichtungen, in denen Missbrauch stattgefunden hat sowie die Aufarbeitung mit Tätern und zu Unrecht Beschuldigten (Rehabilitation). Der Fachbereich PIA wird dabei arbeitsteilig tätig.
Präventionsarbeit im Bistum Aachen – Augen auf, hinsehen und schützen
Der Bereich Prävention berät kirchliche Rechtsträger bei der Entwicklung und Umsetzung von Institutionellen Schutzkonzepten, prüft diese fachlich, sorgt schwerpunktmäßig für den Bereich Aus- und Weiterbildung auf allen hierarchischen Ebenen. Die Qualifizierung der Bildungsreferenten und die Erstellung von Materialien ist ebenfalls hier verankert.
Seit April 2011 ist im Bistum Aachen die Präventionsordnung für alle Diözesen Deutschlands in Kraft. Sie formuliert verbindlich konkrete Maßnahmen für alle Einrichtungen und Dienste im Bistum Aachen zum Schutz der anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Grundvoraussetzung für eine Beschäftigung im Bistum Aachen ist ein erweitertes Führungszeugnis für alle haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiter, die mit Kindern- und Jugendlichen oder schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen arbeiten. „Besonders wichtig sind uns flächendeckende Präventionsschulungen. Wir wollen für das Thema sexualisierte Gewalt jede und jeden sensibilisieren. Nur wer weiß, was mögliche Anzeichen sind, um Missbrauch zu erkennen, wie Täter vorgehen, kann sicher und schnell handeln und eingreifen. Das ist eine wichtige Grundlage für eine Kultur der Achtsamkeit“, sagt Almuth Grüner, Präventionsbeauftragte des Bistums Aachen. Zwischen 2012 und 2019 wurden 50.000 Mitarbeiter geschult. Zudem sind Präventionsschulungen Bestandteile der Ausbildung für Priester, Pastoral- und Gemeindereferenten. Um die Kultur der Achtsamkeit für alle Bereiche des Bistums Aachen sicherzustellen, sind alle Rechtsträger der Diözese Aachen – wie zum Beispiel Pfarrgemeinden und Kindergartenträger – verpflichtet, eine Präventionsfachkraft zu benennen. 280 solcher Präventionsfachkräfte wurden bislang qualifiziert. Ihre Aufgabe ist es, ihre Träger zu unterstützen, Schutzmaßnahmen in ihren Bereichen umzusetzen bzw. Präventionsmaßnahmen im institutionellen Schutzkonzept zu beschreiben.
Intervention gegen sexualisierte Gewalt
Bei der Intervention, die zum 1. April 2020 als eigener Bereich eingerichtet wurde, geht es bei festgestellten aktuellen Fällen um deren Bearbeitung und Dokumentation. Hier wird die Unterstützung für Betroffene und für betroffene Einrichtungen koordiniert. Als „Krisenmanager für alle Fälle“ beschreibt sich der neue Interventionsbeauftragte Helmut Keymer. Er arbeitet mit dem Bischöflichen Beraterstab, den Fachabteilungen im Bischöflichen Generalvikariat, externen Fachstellen und Ämtern zusammen. Für kirchliche Rechtsträger, etwa Caritasverband, Kindertageseinrichtungen oder Pfarreien, steht der Interventionsbeauftragte als Berater und Koordinator zur Verfügung. „Im Mittelpunkt meiner Aufgabe steht dabei der Schutz und die Hilfe für Betroffene und die Pflicht der Täter, sich ihrer Verantwortung zu stellen“, betont der 63-Jährige. Helmut Keymer arbeitet seit 1983 als pädagogischer Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung für das Bistum Aachen. Zuerst in Krefeld und seit 2006 im Katholischen Forum für Erwachsenenbildung in Mönchengladbach und Heinsberg. Dort verantwortet er die Präventionsschulungen. Als Kirchlicher Organisationsberater und als Supervisor bringt er vielfältige Erfahrungen in der Beratung von Konflikt- und Krisensituationen in Organisationen mit.
An der Seite der Betroffenen: die Ansprechpersonen
Die qualifizierten Ansprechpersonen, die früher Missbrauchsbeauftragte hießen, sind erste Anlaufstelle für Betroffene. Mit Herbert Dejosez und Martina Eß gibt es derzeit zwei im Bistum Aachen. Sie führen erste Beratungsgespräche, klären den Sachverhalt und agieren als Anwalt der Betroffenen. Sie unterstützen auch in Verfahren bis zur Anerkennung des Leids und in Nachsorge-Fragen. Die Ansprechpersonen untersuchen jeden Hinweis auf Missbrauch. „Eine Beurteilung ist nicht immer einfach, gerade in Fällen, die viele Jahrzehnte zurückliegen, oder wenn beschuldigte Personen oder Zeugen verstorben sind. Eine Anhörung ist dann nicht mehr möglich“, sagt Herbert Dejosez. Ist der Verdacht hinreichend und plausibel, übergibt das Bistum die Hinweise an die Strafverfolgungsbehörden. Seit 2011 arbeitet das Bistum eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen. Über die Höhe der „Leistung in Anerkennung des Leids“ entscheidet die Koordinierungsstelle der Deutschen Bischofskonferenz, die alle Anträge erhält. Dieser Empfehlung folgt das Bistum Aachen.
Um die Begleitung und Hilfe für Betroffene weiter auszubauen, sucht das Bistum Aachen weitere Ansprechpersonen mit Kompetenzen aus dem Bereich Justiz, Medizin, Pädagogik, soziale Arbeit, Psychologie oder Theologie. Sie arbeiten unabhängig und ganz im Sinne der Betroffenen sind sie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Wer Interesse hat und weitere Information wünscht, wendet sich an Helmut Keymer, Telefon 0241/452-890, E-Mail helmut [dot] keymer [at] bistum-aachen [dot] de
„Wir als Bistum Aachen wollen die Perspektive der Betroffenen einnehmen und nie wieder den Schutz der Organisation vor den Schutz der Betroffenen zu stellen. Diese Anstrengungen sind mit Einrichtung der Fachstelle PIA noch nicht abgeschlossen, sondern gehen unermüdlich weiter“, betont Generalvikar Dr. Andreas Frick.
Alle Informationen: www.hilfe-bei-missbrauch.de (iba/Na 042)
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